Tag 3 / 4 – Rafting, Mascha und die Bären
Früh am nächsten morgen werden wir für das nächste Highlight – eine zweitägige Rafting-Tour entlang der Lachsroute – in den Minivan geladen, der pünktlich gegen 8 Uhr in Richtung Malky losfährt. Zwischendrin gesellen sich noch 6 weiter Touristen aus zwei anderen Ferienhaussiedlungen zu uns: Ein Pärchen aus Woronesh mit einer Freundin und eine berühmte russischen Bloggerin, die mit einer Freundin und einer Fotografin unterwegs ist. Zwei Steuermänner (Dima und Slava) und eine Köchin Regina runden die Mannschaft ab.
Mit dieser buntgemischten Truppe geht es rund 200 Kilometer nordwärts in Richtung Einstiegspunkt, direkt am Fluss Bystraja (die Schnelle) gelegen, auf dem Fabriksgelände der Malkinskie Minerlanye Wody (Malkinski Minneralwasser), einer bekannten lokalen Minnerlawassermarke. Diesen erreichen wir nach gut 2 Stunden. Dann werden die beiden Schlauchboote fertig gemacht und die gesamt Ausrüstung verstaut. Gegen Mittag fahren wir los, um bis zum Abend unsere Nachtlager zu erreichen: rund 28 Kilometer flussabwärts.

Anders als am Vortag ist das Wetter nicht so gut. Es ist zwar trocken aber wolkenverhangen und auf dem Fluss kaum wärmer als 10 Grad. Wir sind sehr froh um die Thermounterwäsche, die wir fürs Trockentauchen mitgenommen haben, und die langen Gummistiefel, Sitzkissen und Rettungswesten, die wir von den Steuermännern bekommen haben. Wir sind auf dem Boot mit Regina und Dima unterwegs, unsere restlichen Reisegefährten auf dem Boot, das von Slawa gesteuert wird. Unterwegs wird geangelt und – wie sollte es auch anders sein in Russland – der Kälte mit dem einen oder anderen Wässerchen getrotzt. Boris versucht sich im Angeln, kann aber nur einen sibirischen Saibling angeln, die Lachse wollen nicht zu recht beißen.
Da sind sie aber: Buckellachse (Gorbuscha), Hundslachse (Keta) und Blaurückenlachse (Nerka), das sehen wir, als wir gegen späten Nachmittag einen Zwischenstopp einlegen und Dima an einer günstigen Stelle einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser zieht, um das Abenbrot zu sichern.
Auch andere sind an den Fischen interessiert, die die Bystraya hinaufschwimmen, um im oberen Flusslauf über 400 Kilometer vom Meer entfernt abzulaichen: Im Laufe des ersten Tages zählen wir sage und schreibe 13 Bären, die am Ufer wandern, zumeist aber im Dickicht verschwinden, sobald sie uns hören.
Entsprechend gut ist die Stimmung, als wir unser Nachtlager aufschlagen: ein Küchenzelt und vier Dreimannzelte für die gesamte Mannschaft. Uns wird eingeimpft, uns niemals und vor allem nicht ohne Begleitung vom Lager zu entfernen. Unsere Begleiter haben für den Fall der Fälle immer eine mit Platzpatronen beladene Kalaschnikow, eine Bärenhupe (klingt wie eine Vuvuzela) und Pfefferspray dabei, denn man kann hier jederzeit einem Bären begegnen. Dass das keine Schauermärchen für Touristen sind beweisen die Bärenspuren, die wir um unseren Lagerplatz herum sehen. Gegen Plagegeister der anderen Art helfen Räucherspiralen, die Slawa rund um das Lager verteilt, um die Mücken und Stechfliegen zu vertreiben, die ansonsten sofort scharenweise über uns um uns herfallen. Dank der Spiralen können wir aber ungestört zu Abend Essen: Zum Abschluss dieses spannenden Tages wird ein Lagerfeuer angezündet und Regina zaubert ein Buffet der Extraklasse mit der weltbesten Fischsuppe und Dima steuert drei Sorten Kaviar bei.
Direkt beim Lager ist eine sehr seichte Stelle, an der man den faszinierenden Zug der Fische beobachten kann: pausenlos ziehen die Lachse im kristallklaren Wasser an uns vorbei – manche schon deutlich gezeichnet mit weißlichen Stellen an Bauch und Rücken von der langen Reise (wir befinden uns rund 200 Kilometer von der Flussmündung am Ochotskischen Meer entfernt) und so schwach, dass Slawa einen Fisch mit der Hand fängt. Andere noch voller Energie und Kampfgeist, die den Angelversuchen der Mitreisenden trotzen.
Am nächsten Morgen, während Arkadi sich den Zug der Lachse nur ein paar Meter unterhalb des Lagers anschaut, nähert sich ihm ein Bär, der jedoch nach kurzer Überlegung eine andere Richtung einschlägt. Arkadi warnt Slawa, der zur Sicherheit zwei Warnschüsse abgibt, um den Bären vom Lager fernzuhalten. Natürlich sind daraufhin alle wach und die Episode findet später Einzug in Maschas Blog.
Mascha, die Bloggerin, ist überhaupt für einige Anekdoten gut, so trägt sie zum Frühstück eine Gesichtsmake auf, was bei allen für Heiterkeit sorgt und singt am Lagerfeuer jedes Lied lauthals mit. Eine Gitarre hat auf dem Schlauchboot niemand dabei, aber dank Smartphone und portabler Box ist Musik in der Wildnis kein Problem…
Vor der Abfahrt am folgenden Morgen zeigt uns Slawa noch ein anderes Gesicht Kamtschatkas: Vielleicht 200 Meter von unserem Lager entfernt haben Goldsucher ein bestimmt zwei Fußballfelder großes Stück Land komplett abgeholzt. Derzeit ruhen die Arbeiten wohl, weil vor Gericht gestritten wird, ob der Abbau des Edelmetalls an der Stelle überhaupt rechtmäßig ist. Wir halten die Daumen, dass der Abbau verboten wird, um ein Stück einmaliger Natur zu erhalten. Denn soviel ist klar: Wenn an der Stelle weiter gegraben wird, stirbt der Fluss und damit ist es vorbei mit dem Lachszug, den Bären und dem Rafting…


Ein Kommentar
Marion Baumgartner-Wetzel
Liebe Katrin, das ist echt eine spannende Geschichte über Bären und Lachse. Anschaulicher hättest Du es nicht beschreiben können, ich kann mir die einzelnen Szenen bildhaft vorstellen, als hätte ich eine Doku gesehen. Ich freue mich schon auf den nächsten Blog. Guten Appetit mit den frischen Fischen und den wunderbar dekorierten Zutaten und Beilagen. Gute Nacht und liebe Grüße Marion