Kamtschatka

Tag 6 Kajnyran / Selenowskie Istochniki

Nach einem Tag Pause, den wir in Petropavlowsk-Kamtschatski zum Geldwechseln und SIM-Karten kaufen verwendet haben, werden wir am Samstag von einer der beiden Katjas abgeholt, um Kajnyran zu besuchen, so nennte sich die Anlage in der Sprache der korjakischen Ureinwohner: das Bärenhaus.

Der Bär Silvester

Dahinter verbirgt sich eine Art Farm der Hundezüchterin Anfisa, die hier mit 120 Huskies, einer kleinen Pferdeherde, einem Seeadler und tatsächlich einem Bären in einem abgelegenen, wunderschönen Tal ca. eine Stunde nördlich von Elisowo lebt. Ebenfalls auf dem Gelände ist ein Nomadenzelt und eine traditionelle Lagerstätte der Korjaken auf Holzstämmen untergebracht. Auf dem Programm für uns steht die Aufführung eines traditionellen Tanzes einer korjakischen Tanzgruppe. Außer uns ist nur noch eine vierköpfige Familie aus der Republik Tuwa in Südsibirien mit von der Partie.
Wir erwarten ob dieser exotischen Mischung nicht allzu viel, werden dann aber überaus positiv überrascht: Anfisa, selber einen halbe Korjakin, versteht es überaus packend über Bären zu berichten. Der elfjährige Bär Silvester, den sie auf ihrem Gelände hält und der uns in seinem Käfig wirklich Leid tut, ist als kleiner Jungbär, dessen Mutter erschossen wurde, zu ihr gekommen. Da Bären aber die ersten drei Jahre von ihrer Mutter alles lernen, um in der Wildnis selbständig zu überleben, hat sie ihn aufgezogen. Da er nun aber außerstande war, sich selbst zu versorgen, hat sie ihn auf ihrem Grundstück behalten, um so sein Überleben zu sichern. Kein einfaches Unterfangen, denn ein ausgewachsener Bär benötigt rund 60 kg Nahrung pro Tag zum Überleben. Wir erfahren, dass am Kurilensee, dem bärenreichsten Flecken auf dem Globus mittlerweile Kämpfe zwischen Jungbären ausbrechen, weil zum einen der Fisch nicht mehr für alle reicht, zum anderen aber auch weil die alten erfahrenen Bären zum Abschuss freigegeben werden. Diese sorgen dafür, dass die Lebensräume eingehalten werden. Auch die Massen von Touristen, die per Helikopter zum Kurilensee geflogen wurden, stören das empfindliche Gleichgewicht der Natur. Für uns wird ein Ausflug dorthin auf alle Fälle nichts, weil aufgrund eines Hubschrauberabsturzes im August mit mehreren Toten ohnehin sämtliche Flüge dorthin gestrichen wurden.

Aber zurück zu Kajnyran: Nach den spannenden Ausführungen über das Leben der Bären führen vier junge Mädchen einige traditionelle korjakische Jagd- und Zeremonientänze auf. Am Ende der Tanzaufführung müssen wir mitmachen – nicht so elegant und geschmeidig wie die Korjakinnen, aber die Energie und Lebensfreude der Mädchen ist so ansteckend, dass das sogar richtig Spaß macht. Insbesondere ihre naturgetreue Nachahmung das Möwengeschrei während der Robbenjagd hat es uns angetan.

Um uns von diesen Anstrengungen zu erholen werden wir anschließend im Zelt mit traditionellen selbstgemachten Fladen und einem überaus leckeren Kräutertee bewirtet.

Dann übernimmt ein junger Mann die Moderation, demonstriert uns alte und neue Hundeschlitten und erklärt uns, wie die Hunde trainiert und die Schlitten gesteuert werden. Staunend erfahren wir, das Anfisa jedes Jahr an der Beringia teilnimmt – dem angeblich härtesten Hundeschlittenrennen der Welt. Im vergangenen Jahr hat sie es dabei sogar bis zum sechsten Platz gebracht. Das Rennen findet jedes Jahr im März statt, geht in rund zwei Wochen über rund 1000 Kilometer durch den Norden Kamtschatkas und ist mittlerweile ein Riesensportevent, das von diversen Großfirmen gesponsort wird. Das Rennen und die damit verbundenen Einnahmen aus dem Tourismus verhelfen dem nördlichen, kaum erschlossenen Teil der Halbinsel zumindest zu ein bisschen Abwechslung vom harten Alltag und einer zusätzlichen Einnahmequelle.

Zum krönenden Abschluss können wir Bekanntschaft mit den Protagonisten des Rennens machen. Die vielen Hunde hier sind allesamt absolut zahm und lassen sich nur allzu zu gerne von uns streicheln. Insbesondere eine Gruppe von Welpen tobt am Ende begeistert um uns herum.

Katja hat nach Kajnyran aber noch ein anderes Highlight für uns im Gepäck: Nach kurzer Fahrt mit dem Jeep kommen wir zu den Selenowskye Istotschniki, natürlichen Thermalquellen. In acht kleineren Becken wird hier bis zu 70 Grad heißes Wasser eingeleitet. Man sitzt maximal eine Viertelstunde im heißen Heilwasser und kann sich dann wahlweise in einem großen, normal temperierten Schwimmbecken abkühlen oder aber in den angeschlossenen See springen, den man über eine kurze Holztreppe erreicht. Uns gefällt die zweite Variante, die landschaftlich wunderschön ist: Kristallklares Wasser umgeben von Birken und Tundragewächsen. Todesmutig stürzen wir uns in das nur 8 Grad „warme“ Wasser und sind anschließend bereit für eine zweite Tour im heißen Wasser. Auf Anraten der anderen Badbesucher wiederholen wir die Prozedur dreimal und fahren dann glücklich über die vielen neuen Eindrücke und bestimmt um einiges gesünder zurück in unser Dörflein.

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